Solare Wasseraufbereitung

Solare Wasseraufbereitung Wasser durch Sonnenenergie

Ein weit über 100 Jahre altes chemisches Verfahren wird von der brasilianischen ‚Arbeitsgruppe Armut und Umwelt in Amazonien’ genutzt, um im Bundesstaat Pará Brunnen-Trinkwasser mittels Chlor zu entkeimen. Um das Desinfektionsmittel zu erhalten wird in Wasser gelöstes Kochsalz durch Elektrolyse chemisch umgewandelt – wobei der notwendige Betriebsstrom hierfür von Solarzellen geliefert wird.

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Seltsamerweise kommt erst Mitte der 1990er Jahre jemand auf die Idee, das Sonnenlicht zu Desinfektion von Wasser auf dem direkten Wege zu nutzen. Bei einem Versuch mit jungen kenianischen Massai zeigt sich, daß jene Kinder, die ihr Trinkwasser vor Gebrauch einige Stunden lang in durchsichtigen Flaschen in die Sonne legen seltener und wenn, dann schwächere Durchfallerkrankungen bekommen. Der Focus schreibt Anfang 1997: „Die simple Methode könnte viele Menschenleben retten: Jährlich sterben wegen schlechter Wasserqualität vier bis sechs Millionen Kinder an Diarrhöe“.

Um so verwunderlicher ist es, daß es bis Mitte 2000 dauert, bis auch der Spiegel diese Meldung bringt. Wahrscheinlich mußte es dazu erst eine Arbeitsgruppe mit dem wohlklingenden Namen Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) geben, die das gleiche Prinzip in Bolivien und Indonesien verbreitet – und dem Projekt den Namen Sodis gibt (Solare Wasserdesinfektion).

Die Schweizer finden heraus, daß die UV-Strahlung der Sonne und die Erwärmung auf über 50°C Escherichia-coli-Bakterien und ähnliche Erreger nahezu vollständig abtöten. Der Effekt verstärkt sich, wenn die durchsichtigen Pet-Flaschen zur Hälfte schwarz angemalt und auf Wellblech gelegt werden. Als notwendige Zeitdauer werden 5 – 6 Stunden angegeben.

Fünf Jahre investierten die Schweizer Wasserforscher der Eawag in intensive Labor- und Feldexperimente, vier Jahre in Pilot- und Demonstrationsprojekte, dann begann die Eawag, das ‚genial einfache’ Sodis-Projekt zu propagieren. Untersuchungen in Pakistan, Nepal, Usbekistan, Indonesien und Indien zeigen bald: Wo die Menschen mit Sodis Trinkwasser entkeimten, ging die Zahl der Durchfallerkrankungen um 30 % bis 70 % zurück.

Im März 2006 wird bekannt, daß inzwischen schon zwei Millionen Menschen in Slums und ländlichen Regionen ihr Trinkwasser zu Hause in Pet-Flaschen reinigen. Die Schweizer Entwicklung, mit Hilfe der Sonne lebensgefährliche Durchfallerreger wie Cholera oder Rotaviren im Trinkwasser abzutöten, hat Erfolg. Nun setzt auch die Uno mehr auf einfache Lösungen. Jahrzehntelang hatten die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Uno vor allem an zentralen Lösungen festgehalten, doch inzwischen setzt sich die Option der dezentralen Wasserbehandlung auch auf höchster Ebene durch, wie ein aktueller Bericht der WHO und der Unicef zeigt.

sodis unterricht

Sodis-Unterricht

Doch obwohl bereits lokale und internationale Partner aus mehr als 20 Ländern am Sodis-Programm beteiligt sind ist der Durchbruch noch immer nicht geschafft. Sodis wurde nicht zum Selbstläufer. Für viele Behörden ist die Methode nach wie vor zu einfach, um tatsächlich funktionieren zu können, auch wenn sie bereits mehrfach ausgezeichnet wurde; zuletzt  2005 mit dem Energy Globe Award auf der Weltausstellung in Japan.

Im Frühjahr 2007 nahm ich mit dem SODIS-Initiator Martin Wegelin Kontakt auf, um die Hintergründe dieser genialen Umsetzung von Sonnenlicht zu erfahren. In einem Pressebericht hatte ich nämlich die Information gefunden, daß die Idee, Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht zu desinfizieren, ein libanesischer Mikrobiologe bereits vor 25 Jahren hatte. Seine ersten Untersuchungen wurden allerdings von der Fachwelt nicht anerkannt.

Von Herrn Wegelin bekam ich daraufhin die folgende Antwort:

“In den 1970er Jahren, als im Libanon Bürgerkrieg herrschte, hat Prof. Accra die bakterizide Wirkung der Sonne entdeckt und 1984 seine ersten Versuche in einem Artikel in einer UNICEF Broschüre publiziert. 1991 haben wir an der Eawag systematisch das Potential und die Limitierung dieser Idee erforscht. Ich habe Prof. Accra 1995 in Beirut getroffen. Er war damals schon ein alter Mann. Vor etwa 6 Jahren hatten wir die letzte Korrespondenz. Er lebte dannzumal in den USA.”

Außerdem gab es mir noch folgende Hinweise, die bei einer Anwendung des SODIS-Prinzips bedacht werden sollten:

– Von den Pet-Flaschen geht keine Gesundheitsgefahr aus.
– Gefärbtes Pet ist nicht geeignet, weil nicht genügend UVA-Licht ins Wasser eindringen kann.
– Ohne das UV-Licht würden viele Krankheitserreger erst bei Temperaturen um 50°C abgetötet, und solch hohe Temperaturen werden bei Sodis in der Regel nicht erreicht.

Und daß die Wasserbehandlung zu Hause die Menschen auch dazu motiviert, sich generell über Hygiene und Verbesserung ihrer Lebensumstände Gedanken zu machen, zeigte sich in einer kleinen Hütte in einem Slum in Nicaragua: Die Eawag-Forscher fanden dort Pet-Flaschen, versorgt in einem rostigen Fass ohne Boden. Die Besitzerin erklärte, das sei ihr Kühlungssystem. Täglich würde sie etwas Wasser auf den sandigen Boden träufeln, damit es verdampfe, so der Umgebung Wärme entziehe und die Flaschen kühle.

Am 24.06.2006 erhält Martin Wegelin für seine SODIS-Innovation den Schweizer Rotkreuzpreis – und 2007 den dänischen Designpreis INDEX: AWARD.

solar bottle flasche

solar bottle

Mitte 2007 stellen die Designer Alberto Medo und Francisco Gomez Paz eine Weiterentwicklung unter dem Namen ‚solar bottle’ vor, die den SODIS-Effekt maximieren soll. Das 4-Liter Gefäß besteht aus einer transparenten und einer dunkel eingefärbten Hälfte, läßt sich leicht stapeln und kann mittels einem ausklappbaren Handgriffes sowohl bequem getragen als auch im richtigen Winkel zur Sonne aufgestellt werden.

Doch es gibt noch andere Initiativen mit der gleichen Zielsetzung:

Bereits 1998 erringt der 19-jährige Berliner Schüler Robert Franke den Internationalen Stockholm Junior Water Prize für die Entwicklung seines AquaKat, einem kostengünstigen, solarbetrieben photokatalytischen Durchflußreaktor zur Reinigung von schadstoffbelastetem Wasser. Den er sich auch hat patentieren lassen.

1999 fördert die EU ein Pilotprojekt im argentinischen Wüstendorf Balde de Sur de Chucuma, bei dem eine mit Solar- und Windstrom betriebene Pumpe das Wasser fördert, welches anschließend durch eine ebenfalls solarbetriebene UV-Licht-Bestrahlung keimfrei gemacht wird. Warum also einfach, wenn es auch kompliziert geht?!

Ein ähnliches Projekt der ‚Engineers without Borders’ unter der Leitung von Prof. Bosscher in Ruanda ergänzt die zur solaren Entkeimung gedachte blau eingefärbte Flasche mit einer sehr einfachen Technik, die den Verbrauchern anzeigt, wann das Wasser heiß genug ist um es risikofrei trinken zu können. Der ‚Sensor’ besteht aus einem kleinen transparenten Stück Schlauch, dessen eines Ende mit Wachs versiegelt ist, das erst dann schmilzt, wenn die notwendige Temperatur erreicht wird.

Ein weiterer Vorschlag zur solaren Entkeimung von Wasser kommt von Haley Robinson aus dem kanadischen La Ronge, Saskatchewan. Ihr System ähnelt einem Tipi und besteht ausschließlich aus Abfallmaterialien wie Stöcken, Plastiktüten und Aluminiumfolie. Immerhin gewinnt sie damit im Mai 2007 den mit 4.000 $ dotierten ,Manning Young Canadian Innovation Award’.

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Parabol-Destille

Im August 2007 präsentiert der US-Blog thesietch.org eine solare Destillationsanlage für den Selbstbau, die mit einem Parabolspiegel von 2 m² funktioniert und pro Tag mindestens 4 l sauberes Wasser produziert. Die transparente Verdunstungsröhre besitzt im oberen Bereich Kühlerlamellen aus Aluminium, die teilweise in den Verdunstungsraum hineinreichen, über dessen Boden sich die Sammelrinnen für das abtropfende, saubere Wasser befinden.

Der Übergang von der solaren Wasseraufbereitung zur solaren Meer- oder Brackwasserentsalzung ist fließend. Ich empfehle daher, auch dort nachzuschauen, denn die meisten Unternehmen setzen aus Marketinggründen stärker auf den Begriff Entsalzung.

Solarpumpen

Das einzige Verfahren, das schon früh praktische Anwendung findet, stammt von der französischen Firma Sofretes. Diese Anlage arbeitet im Niedertemperaturbereich mit Frigen als Arbeitsmedium, wodurch als Ener­giesammler schon einfache Flachkollektoren ausreichen (Stand 1979). Anlagen, die statt dessen mit Wasser als Arbeitsmedium funktionieren, benötigen wegen dessen höherer Arbeitstemperatur stark konzentrierende und der Sonne stetig nachgeführte Sammler – was die Konstruktion um ein vielfaches komplizierter macht.

Ein noch einfacheres Modell wird 1979 von der IPAT (TU-Berlin) vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Vorrichtung, zu der auch eine Membranpumpe ohne gleitende Teile gehört – womit sich das System auch zur Förderung von Sand- oder schlammhaltigem Wasser eignet. Als Arbeitsmedium wird in Flachkollektoren solarbeheiztes n-Pentan eingesetzt. Es werden aber auch andere, weniger aggressive und ungiftige Verbindungen erprobt. Der Vorschlag der IPAT berücksichtigt im besonderen, daß die für das Gesamtsystem benötigten Teilkomponenten möglichst alle in den jeweiligen Anwenderregionen hergestellt werden können, und daß das technische Prinzip auch ungeschulten Menschen verständlich und einsichtig ist, damit die Anwender in der Lage sind, das System selber instand zu halten bzw. zu reparieren.

Natürlich liegt auch der Einsatz von PV-Systemen für solare Wasserpumpen nahe, weil sich die allgemeine technologische Entwicklung und Umsetzung schon seit langem auf elektrisch betriebene Tauchpumpen konzentriert. Besteht am Brunnen sogar eine Netzanbindung, dann läßt sich mit einem angebots- und bedarfsorientierten Mischprogramm eine optimale Anlagennutzung realisieren (s.u.).

In den 80ern beginnen viele Pumpenfirmen auch für den solaren Betrieb geeignete Modelle anzubieten. 1982 listet der Katalog des dänischen Unternehmens Grundfos schon 22 verschiedene Größen bis 1,5 kW auf, zu Preisen von 10.000 $ bis 15.000 $ und einer erwarteten Lebensdauer von bis zu 20 Jahren.

Ab 1987 wird am Fachbereich Maschinenbau der TU-Berlin an der Entwicklung einer einfachen Kreiselpumpe in Schweißkonstruktion gearbeitet, die für den solaren Einsatz geeignet und in den Ländern der 3. Welt selbst herstellbar ist. Wie einem Bericht der Publikation TU-International zu entnehmen ist, wird ein entsprechendes zweijähriges Kooperationsprojekt mit Ghana allerdings erst 1997 bewilligt.

1994 wirbt die deutsche Heizungsbaufirma Herrmann aus Schwerte mit der Entwicklung einer solarbetriebenen Stirlingmotor-Pumpe ‘Sunwell’, die in Indien produziert werden soll. Schon 1986 hatte der Solarpionier Eckhard Weber mit ihrer Entwicklung begonnen, und später eine Lizenz an Herrmann vergeben, doch mit dem Konkurs der Firma endete das Projekt. Erst Jahre später wird die Pumpe von Webers eigener Sunmachine GmbH wieder selbst vermarktet (s.u. Stirling-Motor).

Das Angebot von Grundfos umfasst 2006 Solarpumpen für einen Förderstrom bis 180 m3/Tag,  Förderhöhen bis 200 m und einer Wassertemperatur bis maximal 60°C.

PV-Anlagen zur solaren Wasseraufbereitung

In Mali wird 1978 die (nach Angaben der UNESCO) damals weltgrößte Sonnenenergieanlage in Betrieb genommen. Etwa 200 km südlich von Timbuktu in der Stadt Dire an den Ufern des Niger erzeugen 3.200 m2 Kollektorfläche etwa 80 kW Strom für die folgenden Aufgaben:

  • täglich 8.500 m3 Wasser aus dem Niger sieben Meter hoch zur Bewässerung von 15 Hektar Land hochpumpen,
    • täglich 600 Kubikmeter Trinkwasser aus 18 m Tiefe für die Versorgung der 10.000 Einwohner von Dire hochpumpen,
    • den Speicherraum einer landwirtschaftlichen Kooperative kühlen,
    • die Kooperative und ein Touristenhotel mit elektrischem Licht versorgen.

 

 

 

 

 

Die Kosten von einer Million Dollar werden von der französischen Regierung im Rahmen des Programmes ‚Neue Energie für die Sahel-Länder’ getragen.

Das Sowjetische Forschungsinstitut für neuartige Stromquellen stellt Anfang der 1980er Jahre eine Solarpumpe vor, die bei voller Lichteinstrahlung pro Stunde bis zu 1,5 m3 Wasser aus einer Tiefe von 15 m fördert – betrieben von Silizium-Zellen, die auf einer 5 x 1 m großen Tafel montiert sind. Das System, das primär als Wasserschöpfwerk für Weideflächen in Trockengebieten eingesetzt werden soll, besitzt neben einer automatischen Sonnennachführung auch eine automatische Reinigungsvorrichtung, die von Zeit zu Zeit selbsttätig den leistungsmindernden Steppenstaub abkehrt.

Auch andere Länder – alleine oder im Rahmen von internationalen Kooperation – beschäftigen sich mit der Elektrifizierung entlegener Dörfer mittels Sonnenenergie.

Im indischen Madras arbeitet Anfang der 1980er Jahre eine 10 kW Anlage der Firma MBB, außerdem beschäftigt man sich mit der Dorfelek­trifizierung durch BMFT-Mittel. Algerien kooperiert mit dem BMZ, und der Irak hat eine intensive Zusammenarbeit mit Frankreich begonnen.

Im Laufe der Jahre zeigt sich, daß PV-Anlagen in Entwicklungsländern aus wirtschaftlichen Gründen in erster Linie für ‚Insel-Versorgungen’ geeignet sind, also für Orte ohne Anbindung an das bestehende Stromnetz. Man betracht diesen Sektor als Marktnische mit großem Potential in der gesamten südlichen Hemisphäre.

Ende der 1980er Jahre schätzt man, daß es weltweit etwa 6.000 PV-Solarpumpen gibt, doch nun kommen jährlich etwa 1.500 hinzu. Die EG startet ein Pilotprojekt, bei dem 1.000 Wasserpumpen in der Sahelzone eingesetzt werden.

1990 gibt das BMFT bekannt, daß es in der vorangegangenen 16 Jahren rund 850 Mio. DM an Fördermitteln für die Nutzung erneuerbarer Energie in Ländern der 3. Welt ausgegeben hat – das sind etwa 37 % des in diesem Zeitraum für die Förderung der erneuerbaren Energie insgesamt aufgewendeten Betrags von 2,3 Mrd. DM (zwei Jahre später lauten die Zahlen aus der selben Quelle allerdings 660 Mio. und 4 Mrd. DM – !?). Mit 23 Ländern bestehen wissenschaftlich-technische Abkommen – wobei sieben davon als Schwerpunktregionen gelten: Indonesien, Brasilien, Argentinien, Mexiko, China, Indien und Ägypten. Diese Auswahl wirft einige Fragen auf, besonders wenn man dabei berücksichtigt, daß es bei den meisten Kooperationsprojekten um Einsatzbereiche der Photovoltaik handelt. Jedenfalls ist zu diesem Zeitpunkt bereits gesichert, daß PV-Wasserpumpen mit Kosten von 0,30 DM/m3 Wasser signifikant unter den Kosten einer Dieselpumpe liegen (ca. 0,40 DM/m3), und das BMFT finanziert daraufhin mit rund 26 Mio. DM eine fünfjährige Felderprobung von 120 PV-Wasserpumpen in acht Ländern der 3. Welt (Argentinien, Brasilien, China, Tunesien, Zimbabwe, Jordanien, Indonesien, Philippinen).

Trotzdem tuckern auch heute noch, 15 Jahre später, weltweit Millionen und Abermillionen brennstoffverbrauchender Dieselpumpen…

Ebenfalls um die Sahel-Region geht es bei einem EG-geförderten Projekt, in dessen Verlauf das federführende Comité Permanent Interétas De Lutte Contre La Secheresse Dans Le Sahel in Quagadougou, Burkina Faso, der Siemens Solar GmbH in München zum bis dato größten kommerziellen Einzelauftrag der Photovoltaik-Industrie verhalf. Er umfaßt die Lieferung, Installation und Wartung von PV-Systemen mit einer Gesamtleistung von 640 kW in Gambia, Guinea Bissau, Mauretanien, Senegal und auf den Kapverden. Im Einzelnen handelt es sich um 410 Solarpumpen, 89 Kühl-, 303 Beleuchtungs- und 33 Batterieladesysteme. Die Projektlaufzeit von vier Jahren endet 1994, doch Siemens meldet erst 1996, daß man bis dato eine Gesamtleistung von 540 kW installiert hätte.

1991 berichtet die GTZ, daß insbesondere auf den Philippinen zwei Nutzungssysteme eine unerwartet hohe Akzeptanz gefunden haben: Solar-Batterieladestationen und Solar-Heimsysteme, die Einzelhaushalte mit einer Minimalstrommenge für Licht, Radio und Fernsehen versorgen. Ähnliche Erfahrung werden auch im Senegal gemacht.

Um jedoch eine tatsächliche Breitenwirkung zu erzielen sind die PV-Systeme noch immer zu teuer. Das Worldwatch-Institut geht Mitte 1992 davon aus, daß die Installationskosten für eine 35 – 50 W Anlage zwischen 800 und 1.000 DM betragen – für viele Menschen der 3. Welt also völlig unerschwinglich. Dabei reicht eine derartige Anlage gerade mal dazu aus, 4 – 6 schwache Glühbirnen oder ein Radio drei bis vier Stunden lang zu betreiben. Trotzdem amortisiert sich ein derartiges System in weniger als fünf Jahren, wenn man die monatlichen 15 – 20 DM zugrunde legt, welche pro Haushalt sonst für Wegwerfbatterien und Kerosin ausgegeben werden.

1993 wird geschätzt, daß inzwischen weltweit etwa 15.000 PV-Wasserpumpen im Einsatz sind – die Zuwachsrate beträgt jährlich zwischen 1.000 und 2.000 Stück. In diesem Jahr wird in Indonesien das weltweit bedeutendste Photovoltaikprojekt eingeleitet, bei dem in den folgenden 5 Jahren rund 1 Mio. Klein-PV-Anlagen (50 W) für Hausstrombedürfnisse an interessierte Dorfbewohner verkauft werden sollen. Langfristig sollen sogar alle 60 Mio. Bewohner des Inselstaates versorgt werden. Der Auftrag für die ersten 2.000 Systeme geht an eine deutsche Firma.

Auf der 12. Europäischen PV-Konferenz in Amsterdam, die 1994 von der EG-Kommission veranstaltet wird, präsentiert man das Programm Power for the World, das die Installation von mehreren Millionen PV-Anlagen in aller Welt umfaßt. Zu diesem Zeitpunkt errichtet die deutsche DASA Solarpumpen im argentinischen Buschland und solargestützte TV-Relaisstationen in der Inneren Mongolei. Das Unternehmen hat fernen den Auftrag, bis 1996 vier Dörfer auf Hainan, einer Insel im Südchinesischen Meer komplett mit Solarstrom zu versorgen.

pv in mongolia

PV-Sytem in der Mongolei

1995 soll es weltweit bereits 157.000 Dörfer geben, die mit Solarstrom versorgt werden. In Indien geht man sogar einen Schritt weiter und beginnt 1996 mit dem Bau einer ‚Solarzone’ in der Thar-Wüste, wo neben Aufwindkraftwerken (s.d.) auch PV-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 5.000 MW installiert werden sollen. 1997 beginnt die Solar Century Initiative mit ihren Investitionen: GAIA Kapital, eine von Rolf Gerling gegründete Venture Capital Gesellschaft beauftragt die amerikanische Firma Sun Light Power im Rahmen eines 2 Mio. $ Vertrages mit dem Aufbau eines Photovoltaik-Service in Afrika, Asien und Lateinamerika. Im Rahmen dieses Service werden die PV-Systeme nicht verkauft, sondern von Sun Light Power installiert und gegen eine monatliche Gebühr vermietet. Ende des Jahres installiert Siemens Solar in der chinesischen Provinz Shenzen ein PV-System mit 114 kW Leistung – das zu diesem Zeitpunkt zu den größten Photovoltaik-Anlagen in Asien zählt.

Das Institut für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) in Kassel veröffentlicht 1999 Zahlen, denen zufolge die Versorgung von weniger als 100 Haushalten pro Quadratkilometer am billigsten mittels Solartechnik gewährleistet werden kann, die auf diesem Anwendungssegment sogar preiswerter als die kleinen, dezentralen Dieselanlagen ist. Damit rechnet sich die Photovoltaik für rund 2 Mrd. Menschen, die bislang noch immer ohne Strom sind.

Im März 1999 startet die Shell AG in Südafrika das Projekt Solar-Home-Systems, bei dem kleine PV-Anlagen Strom für 4 Lampen, ein Radio und einen Fernseher liefern. Die sie Investitionskosten von ca. 1.000 DM für viele der potentiellen Kunden unerschwinglich sind, koppelte Shell den Vertrieb mit einer Art Strom-Leasing, bei der die Kunden ihre monatliche ‚Stromrechnung’ von 10 bis 15 DM im Voraus bezahlen – soviel wie sie sonst für Kerzen, Öl und Batterien ausgegeben haben. Dafür erhalten die Kunden eine Chipkarte, die ‚ihre’ Solaranlage für einen Monat freischaltet. Bis 2001 will Shell 50.000 Solar-Home Anlagen installieren. Das Unternehmen ist außerdem in der Mongolei präsent, wo ebenfalls 50.000 Anlagen installiert werden sollen, und für Brasilien rechnet man sogar mit einem Kundenstamm von 20 Mio. Menschen.

Unter dem Motto Sonne für die Welt sammelt der gemeinnützige Verein Süd-Nord-Ost-West-Netzwerk e.V. Spenden für den Bau von ‚Weltbürger-Solaranlagen’ in Weißrußland und Indien. Das auf Initiative von Dietrich von Bodelschwingh für Tschernobyl-Umsiedler in Lehmbautechnologie gebaute Dorf Drushnaja (Freundschaft) soll ebenso Solaranlagen von Phönix (s.d.) erhalten, wie die in Indien entstandene Bewegung der ‚Unabhängigen Energieproduzenten’ DESI (Decentralised Energy Systems India).

Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) will 2002 in Südafrika erstmals entlegene ländliche Regionen mit Solarenergie versorgen. Rund 27.000 Haushalte sollten eine Anlage erhalten, die elektrische Beleuchtung und den Betrieb kleinerer Geräte sicherstellte. Ein entsprechender Darlehensvertrag in Höhe von 15,8 Mio. € ist bereits unterzeichnet. Geplant ist außerdem, Schulen und Gesundheitsstationen in der östlichen Kapprovinz im Nordwesten des Landes mit Solarstrom zu versorgen.

Modellvorhaben in der 3. Welt zur solaren Wasseraufbereitung

Da es so gut wie unmöglich ist, eine Gesamtübersicht über alle schon durchgeführten Projekte und Vorhaben zu geben, möchte ich hier einige frühe Modellfälle vorstellen. Über die großtechnische solare Entsalzung und Wiederaufbereitung von Wasser werde ich weiter unten gesondert berichten.

Kühlhaus

In Ägypten wird 1978 von den Firmen Dornier und Linde AG und im Auftrag der GTZ eine 30 m2 Kollektor­fläche installiert, welche die Temperatur eines an­geschlossenen Frischhalteraumes für Lebensmittel von etwa 10 m3 Volumen auf 0°C – 3°C absenkt. Als Betriebs­mittel wird das leicht siedende Ammoniak gewählt. Unter tropischer oder subtropischer Sonne läßt sich pro Quadratmeter Solarabsorberfläche täglich bis zu ei­ner Kilowattstunde in Form von Kälte gewinnen.

Solare Ziegelbrennerei

Das BMFT-unterstützte System, das im Sommer 1979 in Spanien versuchsweise installiert wird, ist von Prof. Knut Kauder an der Universität Dortmund entwickelt worden und soll später in Entwicklungsländern eingesetzt werden. Der 9 m hohe Brennofen besitzt sechs konkave Spiegel, die das Sonnen­licht über einen Sekundärspiegel in den Brenner hinein­leiten. Die Gesamtfläche der Spiegel beträgt nur rund 18 m2 – und es sind Temperaturen bis zu 1.000°C erreichbar, mittels derer die Ziegel gebrannt werden.

Sonnendörfer

In Mexiko wird Ende der 1970er Jahre das abgelegene Fischerdorf Las Barrancas ausgewählt, um als Modell für die sonnenenergetische Komplettversorgung kleinerer Ortschaften in Ländern der 3. Welt zu dienen. Der Name dieses Projekt lautet Sontlan, und die Realisation erfolgt in Zusammenarbeit zwischen dem BMFT und der mexikanischen Regierung. Die gesamte solarelektronische und elektrotechnische Ausrüstung dieses damals weltweit größten Sonnendorf-Projektes stellt die Firma AEG-Telefunken. Bereits im Dezember 1977 hatte ein Technikerteam in Begleitung von Fachleuten des BMFT das Dorf besucht – die einzige Stromquelle des 250-Seelen Ortes bildete damals ein 1 kW Generator, dessen Strom in erster Linie der Versorgung des Ortstelefons diente, mit welchem der Kontakt zur Außenwelt gehalten wurde.

Im November 2007 meldet sich Herr Joachim Paul vom damals beteilgten Unternehmen DEBEG-Service bei mir, nachdem er festgestellt hatte, daß die einzige Erwähnung dieses frühen Projektes im gesamten Netz hier im Buch der Synergie zu finden ist. Bei ihm bedanke ich mich sehr für die folgenden Fotos. Herr Paul schickte mir auch reichlich Material, von dem ich hier etwas aus seinen persönlichen Erfahrungen zitiere:

“Meine Aufgabe war es im Projekt Sontlan eine sichere Kommunikation im Telefon und Datenbetrieb zwischen Las Barrancas an der Pazifik-Küste und Cd. Constitucion im Landesinneren herzustellen. Ich bin dreimal dort gewesen. Es ging auch um die Frage, wie bekommen wir den Relais-Container auf den Berg. Kein Problem, sagten die Mexikaner, da nehmen wir einen Hubschrauber – und schon ist er oben. Leider hatten sie später keinen geeigneten Hubschrauber für das Gewicht. Deshalb mußte ein Weg in Serpentinen den Berg hinauf gebaut werden, was ca. ein Jahr gedauert hat.

Zur Inbetriebnahme war von den eigentlichen Solaranlagen noch nichts zu sehen, mit der Telefon und Datenleitung habe ich ja erst die Basis für die ganze Logistik vorbereitet. Später war ich ein drittes Mal dort, um die Techniker vor Ort in Wartung und Reparatur des Kommunikationssystems zu schulen.”

Als wichtigste Neuerung wird innerhalb des Projekts ein sonnenbetriebenes Kühlhaus eingeführt, in dem die von den Einwohnern gefangenen Delikatesse-Fische bis zum Weitertransport eingefroren werden. Bisher hatte der weite Weg bis zu der im Binnenland gelegenen Fischfabrik den größten Teil der Fänge verderben lassen.

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Sontlan Kollektorfeld
(Helio Man-Parabolrinnen)

Die Sonnenfarm, die 100 kW – 200 kW leistet, liefert gleichzeitig noch ausreichend Elektrizität für Koch- und Pumpzwecke, für ein Funktelefon, ein Rundfunkgerät und einen Videorekorder. Über die in diesem Dorf ebenfalls installierte Meerwasser-Entsalzungsanlage werde ich weiter unten berichten.

Anfang 1983 werden in Las Barrancas solartechnisch bereits 1.617 kW Strom erzeugt, mittel Parabolkollektoren wird 400°C heißes Öl für den Betrieb einer 120 kW Eismaschine bereitgestellt, und der Heißwasserbedarf der Bewohner und der Fischfabrik wird mittels konventionellen Flachkollektoren gedeckt. Die Projektkosten betragen 90 Mio. DM, die zwischen der BRD und Mexiko geteilt werden.

Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre entstehen ähnliche Versuchs- und Demonstrationsdörfer auch in vielen anderen Ländern der Erde. Von einer ‚flächenbrandähnlichen’ Verbreitung kann aber nicht die Rede sein – und aus einer Vor-Ort-Perspektive kann man auch leicht erkennen warum. Zum einen stammen die Ideen zu diesen Solardörfern samt der in ihnen umgesetzten Technologie fast immer aus dem Ausland. Dadurch werden sie oftmals als fremd empfunden und lassen sich nur schwer im lokalen Selbstverständnis verankern.

Zum anderen leben die Eliten dieser Länder ausnahmslos in einem Reichtum, der alternative Energieformen als lächerlich und unnötig erscheinen läßt – während ihre Völker schließlich auch ohne diesen ‚ausländischen Krempel’ überleben… oder eben nicht. Aber daran würden dann auch ein paar Solarkollektoren kaum etwas ändern.

Vieles ändern könnten allerdings große Anlagen, die zur Versorgungssicherheit mit Elektrizität und solar entsalztem Wasser in signifikanten Quantitäten führen können. Wobei ich an entsprechender Stelle noch auf andere technologische Möglichkeiten hinweisen werde, wie man mittels nichtfossilen Energieformen die gewünschten Mengen Süßwasser ,herstellen’ kann.

Doch bevor wir uns diesen Hochtemperatur-Anlagen widmen, gibt es noch einen umfasenden Bereich der gleichzeitigen passiven und aktiven Solarnutzung im Nidertemperaturbereich – nämlich die Solararchitektur.