Umweltminister Wilhelm Dietzel zur Blauzungenkrankheit: „Impfung in Hessen weitestgehend…

Umweltminister Wilhelm Dietzel zur Blauzungenkrankheit: „Impfung in Hessen weitestgehend…

Wiesbaden –

Umweltminister Wilhelm Dietzel zur Blauzungenkrankheit: „Impfung in Hessen weitestgehend abgeschlossen

Impfstoffe gut verträglich – deutlicher Rückgang der Neuausbrüche“

Aufgrund des dramatisch ansteigenden Seuchengeschehens mit zunehmenden Tierverlusten in vielen europäischen Mitgliedsstaaten im Jahr 2007 wurde von Seiten der EU ein Impfprogramm gegen die Blauzungenkrankheit (Bluetongue, BT) beschlossen.

Unmittelbar nach dem ersten Auftreten der Blauzungenkrankheit im August 2006 in Mitteleuropa und der Isolierung und Typisierung des Erregers begannen mehrere kommerzielle europäische Impfstoffhersteller mit der Entwicklung eines Impfstoffes. Der inaktivierte Impfstoff induziert nach einer Injektion bei Schafen und Ziegen bezeihungwsweise nach zwei Injektionen bei Rindern eine ausreichende Immunität für rund ein Jahr. Da sich das verwendete Impfvirus vom Serotyp 8 nicht im Tier vermehren kann, wird es während des Stechaktes nicht auf blutsaugenden Insekten übertragen und somit auch nicht weiterverbreitet. Es besteht also die Chance, dass das BT-Virus nach einem langen, harten Winter wieder vollständig aus unserer Wiederkäuerpopulation verschwindet.

Zu Beginn des Jahres 2008 hatte Hessen federführend für alle Bundesländer die Ausschreibung für die Impfdosen zur BT-Impfung bei Rindern, Schafen und Ziegen in Deutschland übernommen. Den Zuschlag erhielten drei Impfstoffhersteller, deren Impfstoffe durch einen groß angelegten Impfversuch des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Loeffler-Institut auf Unschädlichkeit und Wirksamkeit geprüft worden waren. Die Anwendung der bisher noch nicht zugelassenen Impfstoffe wurde durch eine Dringlichkeitsverordnung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ermöglicht.

Ende Mai 2008 wurde mit der Auslieferung der Impfstoffe an die Bundesländer und die Verteilung an die Veterinärbehörden begonnen. In Hessen sind bislang bei 23805 Betriebsbesuchen 660.766 Impfungen bei Rindern, 183.218 bei Schafen und 14.922 bei Ziegen durchgeführt worden (Stand: 03.11.2008). Bis auf wenige Rinderhaltungen, in denen die Tiere erst bei Weideabtrieb geimpft werden sollen, ist die hessische Wiederkäuerpopulation nun gegen die Blauzungenkrankheit geschützt.

Die in der diesjährigen BT-Saison nachgewiesenen sechs Krankheitsfälle in Hessen traten bei nicht oder noch nicht vollständig durch Impfung geschützten Tieren auf. Daher kann von einer sehr guten Wirksamkeit der verwendeten Impfstoffe ausgegangen werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen wertet alle Hinweise der impfenden Tierärzte auf Impfkomplikationen aus. Bisher erweisen sich die Impfstoffe als sehr arm an Nebenwirkungen. Es kommt gelegentlich zu leichten Schwellungen im Bereich der Injektionsstelle mit vorübergehender Lahmheit, zu Appetitlosigkeit bei den geimpften Tieren, selten zu Fieber und sehr selten zu einem Abort im Zusammenhang mit der Impfung.

Der von vielen Milchviehhaltern monierte vorübergehende Anstieg der Zellzahl in der Milch kann nach eigenen Untersuchungen und einer groß angelegten Studie des Landes Niedersachsen nicht in einen Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Saisonal bedingt kommt es immer wieder zu einer Erhöhung der Zellzahl, zum Beispiel durch Stressfaktoren wie extreme Witterungsbedingungen oder Krankheitsgeschehen in der Herde.

Für die Impfungen der empfänglichen Tiere im Jahr 2009 läuft derzeit das Ausschreibungsverfahren zur Beschaffung der Impfstoffe. Ab Mitte des kommenden Jahres ist mit der Verfügbarkeit von zugelassenen Impfstoffen zu rechnen. Bis dahin gilt weiterhin die Dringlichkeitsverordnung des BMELV zur Verwendung bisher nicht zugelassener Impfstoffe.

Hintergrund:

Die seit dem Jahr 2006 auch in Deutschland vorkommende Blauzungenkrankheit ist eine nicht ansteckende, durch Insekten übertragene Viruserkrankung der Schafe, Ziegen, Rinder und Wildwiederkäuer. Sie gilt als für den Menschen ungefährlich. Fleisch- und Milchprodukte können ohne Bedenken verzehrt werden.

Bei der Blauzungenkrankheit handelt es sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche, die einen unterschiedlich starken Verlauf nehmen kann. Die Sterblichkeitsrate hängt von der Virulenz des Virusstammes und von der betroffenen Tierart und Rasse ab. Schafe sind in der Regel am stärksten betroffen mit Symptomen wie Fieber, allgemeine Schwäche, Geschwüre im und um das Maul (Zahnfleisch, Backen und Zunge, zum Teil mit der typischen Blau-Rot-Färbung, Rötungen und Blutungen des oberen Klauenrandes, Lahmheit, mitunter auch Aborte und angeborene Missbildungen), während Rinder und Ziegen gewöhnlich keine klinischen Symptome zeigen, aber für gewisse Zeit Virusträger sein können.
Weltweit sind mittlerweile 24 verschiedene Serotypen des Virus mit unterschiedlicher Virulenz und Verbreitung bekannt. Von diesen wurde in Deutschland bislang nur der Serotyp 8 (BTV-8) nachgewiesen. In der Schweiz (Kanton St. Gallen) wurde vor wenigen Tagen ein neues BT-Virus entdeckt, das keinem der bekannten Serotypen angehört. Es wird vorläufig als Toggenburg-Orbivirus bezeichnet.

Die Blauzungenkrankheit kommt vor allem in warmen Ländern zwischen dem 35. südlichen und dem 44. nördlichen Breitengrad vor und ist bereits in vielen Mittelmeer-Ländern aufgetreten. Die sich ändernden klimatischen Verhältnisse im nördlichen Europa ermöglichen bei ausreichend lange anhaltenden Temperaturen über einem kritischen Wert die starke Vermehrung entsprechender Mückenarten und somit eine Verbreitung des Virus auch in den früher klimatisch eher ungünstigen Regionen. So meldeten die Niederlande Mitte August 2006 den ersten Ausbruch der Blauzungenkrankheit. Es folgten Ausbrüche in Belgien, bis die Tierseuche am 21. August 2006 erstmals auch in Deutschland festgestellt wurde. Am 13. November 2008 erreichte das Seuchengeschehen Hessen.

Im Jahr 2006 wurden insgesamt 885 BT-Fälle in Deutschland bestätigt. 2007 waren es dagegen schon 20.623 Fälle. Nach aktuellen Angaben des BMELV wurden im Jahr 2008 bisher erst 3870 bestätigte Fälle registriert (Stand: 14.10.2008). Davon entfallen 166 Krankheitsfälle auf Hessen, von denen 160 Fälle auf Virusinfektionen aus dem Vorjahr zurückzuführen sind.

Das Krankheitsbild hat sich gegenüber dem Jahr 2006 in 2007 radikal geändert. BT-Infektionen im Jahr 2006 hatten keine oder nur sehr milde klinische Erscheinungen zur Folge. Im Jahr 2007 wurde das Virus jedoch wesentlich aggressiver. Infektionen waren von massiven klinischen Erscheinungen begleitet, die bei Schafen zu Mortalitätsraten von bis zu 30 Prozent führten.

Weil das BT-Virus über Insekten auch durch den Wind über große Entfernungen (100 km und mehr) verfrachtet werden kann, müssen im Ausbruchsfall extrem weiträumige Maßnahmen ergriffen werden. Unter Berücksichtigung der geographischen, klimatischen und epizootiologischen Bedingungen sind nach dem EU-Recht ein Sperrgebiet mit einem Radius von mindestens 100 km sowie ein Beobachtungsgebiet von weiteren 50 km festzulegen. Aus diesen Gebieten heraus dürfen empfängliche Tiere grundsätzlich nicht bzw. nur unter Auflagen verbracht werden. Auch für Tierschauen und -märkte müssen bestimmte Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Seit dem Jahr 2007 unterliegt das ganze Bundesgebiet den Bedingungen der 150-km-Zone.

Pressestelle
Hessisches Ministerium für Umwelt,
ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Mainzer Straße 80
65189 Wiesbaden
Telefon: 0611 – 815 1020
Telefax: 0611 – 815 1943
pressestelle@hmulv.hessen.de/new/pmcounter.cfm?n_pinr_=345376″ width=”1″ height=”1″>