Solarsiedlungen

Solarsiedlungen

Eine besondere Form der Solaranwendung in der Architektur bilden ganze Siedlungskonzepte, bei denen Sonnenenergie und andere erneuerbaren Energien in großem Umfang eingesetzt werden. Über verschiedene dieser Solarwohnanlagen habe wir schon im Bereich der photovoltaischen Großanlagen (Photovoltaik) gesprochen. Hier möchte wir noch einige weitere Siedlungen darstellen, bei denen Bauweise und Technologie zu weitgehender energetischen Autonomie führen.

Zu den ersten Solarsiedlungen gehört das bereits 1980 in Bayern solartechnisch umgewandelte Dorf Penzberg, welches anschließend auch die erste Ortschaft in Deutschland war, wo – laut Wüstenrot – „überhaupt kein Öl mehr gebraucht wurde“.

Seit 1981 besteht eine Kooperation zwischen 7 chinesischen Universitäten und Forschungsstellen und ebenfalls 7 deutschen Instituten und Firmen (AEG, KfA-Jülich u.a.). Dabei geht es um den 30 km südwestlich von Peking liegenden Ort Yihezuan, der dann 1986 unter dem Namen Neues Solardorf eingeweiht wird. 140 Bauernhaushalte mit insgesamt 650 Bewohnern bekommen 70 Passivsolarhäuser mit Glasfronten und Speicherwänden sowie Solarkollektoren. Den um 20 % höheren Baukosten stehen Kohleeinsparungen von 60 % – 80 % gegenüber.

435 Wohneinheiten im Rahmen von 26 zwei- bis sechsgeschossigen Wohngebäuden umfaßt die Solarwohnanlage im Athener Vorort Lykovrissi, dazu kommt ein Bürgerzentrum und eine Ladenzeile mit 10 Geschäften. Die im November 1990 eingeweihte Anlage gilt zu diesem Zeitpunkt als weltweit größtes Demonstrationsvorhaben zur abgestimmten Nutzung verschiedener Formen der aktiven und passiven Solarenergienutzung – von der Anordnung der Gebäude, der Gebäudearchitektur über Flach- und Vakuumkollektoren bis zu Wärmepumpen und einer zentralen Wärmeversorgung. Die Kosten von rund 100 Mio. DM für dieses größte deutsch-griechische Gemeinschaftsprojekt wurden zu je 50 % geteilt. Die erreichten Einsparungen gegenüber konventionellen Systemen betrugen je nach Saison bis zu 90 %.

In Linz beginnt 1995 der Bau eines Niedrigenergie-Wohnviertels mit dem Namen Solar-City für 25.000 Menschen.

Im Mai 1997 nimmt in Bremen eine der größten Dachintegrierten PV-Anlagen ihren Betrieb auf, bei der insgesamt 960 Solarmodule auf den 80 Reihenhäusern der Neubausiedlung ‚Auf dem Kruge’ eine Gesamtleistung von 200 kW erreichen. Die Module übernehmen hier die Funktion des Daches, was die Kosten und das Flächenproblem entschärft.

1997 beginnt die Planung einer eine Reihenhaussiedlung am Schlierberg in Freiburg, Stadtteil Wiehre, die aus 148 Plusenergiehäusern des Kölner Unternehmens Instag AG besteht. Die Häuser sind von Rolf Disch konstruiert worden und erwirtschaften ihren Bewohnern durch den Einsatz von Solarsystemen im Jahressaldo einen Energieüberschuß. Diese Solarsiedlung auf dem Gelände der ehemaligen Vauban-Kaserne, deren organische Abfälle und Fäkalien zu Biogas vergoren und in einem eigenen BHKW genutzt werden, ist auch eines der dezentralen Projekte der Expo 2000. Die erste Preiskalkulation lautet 160 Mio. DM und als Baubeginn wird schließlich das Frühjahr 1999 genannt (die Verzögerung entstand durch den Konkurs eines Unternehmens der Deyhle-Gruppe, zu der auch die Instag AG gehörte). Die Häuser sind nicht billig: für 54 m2 müssen 218.000 DM, und für 250 m2 sogar 622.000 DM gezahlt werden.

Auf der 5. Europäischen Konferenz für Solares Bauen Mitte 1998 in Bonn gibt das Düsseldorfer Ministerium für Bauen und Wohnen bekannt, daß „in nächster Zeit“ an Rhein und Ruhr zunächst 50 Solarsiedlungen entstehen sollen.

Rotating Tower in Dubai Grafik

Rotating Tower in Dubai

Im Rahmen der EXPO 2000 wird im April 1999 in Emmerthal bei Hameln mit der Planung einer Solarsiedlung von 80 Einfamilienhäusern begonnen. Diese Solarsiedlung am Ohrberg wird vom Institut für Solarenergieforschung (ISFH) in Emmerthal wissenschaftlich begleitet. Ein ähnliches EXPO-Projekt ist auch die kleine Solarsiedlung Uckermark in Bruchhagen, wo 5 Häuser ausschließlich mit Solarenergie beheizt werden. Als Saisonspeicher werden hier Sorptionsspeicher (s.d.) installiert. Laut Umfragen ist zu diesem Zeitpunkt die Nutzung der Sonnenwärme die Wunschenergie Nr. 1 der deutschen Haushalte!

Zwischen 1975 und 2005 wurden in Deutschland rund 150 Ökobau-Projekte mit zusammen über 30.000 Wohneinheiten realisiert, die inzwischen auf der Internetseite ökosiedlung.de ausführlich dargestellt werden. Das nicht-kommerzielle Verzeichnis wurde 2000 im Rahmen einer Studienarbeit am Institut für industrielle Bauplanung der Universität Karlsruhe begonnen und seitdem ständig weiter ausgebaut.

Ein Solargebäude der 3. Art soll in Dubai entstehen, wie Mitte 2006 bekannt gegeben wird: Der 20-stöckige ‚Rotating Tower’ besitzt vier mittels Solarenergie drehbare Penthouses und eine ebenfalls drehbare Villa ‚on the top’. Bei einem Erfolg plant das Unernehmen High Rise Realstate LLC weltweit weitere 23 dieser Türme zu errichten.

Abschließend soll nicht vergessen werden auf die weltweit verbreitete Lehmbauarchitektur hinzuweisen, die sogar in mehr als einer Form mit der Sonnenenergie verbunden ist – schließlich werden die Lehmziegel meistens ja auch sonnengetrocknet. Aus Syrien kenne ich relativ einfache Lehmbautechniken, die trotzdem erhebliche Vorteile gegenüber der inzwischen leider auch dort schon weit verbreiteten Betonbauweise bieten, denn das atmungsaktive und isolierende Material heizt sich im Sommer kaum auf, während es im Winter genauso gering auskühlt. Und wenn Sie einmal morgens in einen unbelüfteten Betonraum gekommen sind, in dem acht Landarbeiter geschlafen haben, dann wissen Sie welchen olfaktorischen Unterschied es macht, wenn Sie die acht in einem Lehmbau-Raum schlafen lassen…

Und schließlich wird ein jedes Haus ein wenig zu einem Solarhaus, wenn es eine begrünte Fassade oder ein begrüntes Dach erhält, oder wenn z.B. transparente Folien genutzt werden, die – unmittelbar auf die Fensterscheiben geklebt – Sonnenwärme zwar hinein, aber nicht wieder herauslassen.