Salinitätsgradient (Osmose-Kraftwerk)

Osmose Kraftwerke, Energiegewinnung durch Nutzung des Salinitätsgradienten des Meeres

Die Nutzung des Salinitätsgradienten des Meeres durch sogenannte Osmose-Kraftwerke (Osmosekraftwerke) ist eine relativ neue Idee. Informationen darüber, daß der schon erwähnte Französische Ingenieur Georges Claude 1929 auf Kuba entsprechende Versuche unernommen habe, ließen sich bislang nicht bestätigen.

Bei diesem System wird der hohe osmotische Druck zwischen Süß- und Salzwasser als Energiedifferenz genutzt, d. h. der Unterschied zwischen der hohen Salinität des Meerwassers und dem ‚süßen’ Flusswasser. Werden nämlich Süß- und Salzwasser durch eine sogenannte semipermeablen Membrane getrennt, so fließt Wasser von der Süß- zur Salzwasserseite – getrieben (oder besser gesogen) von dem Konzentrationsunterschied des Salzes. Dieses Prinzip bildet gewissermaßen eine spiegelbildliche Technologie zur reversiblen Osmose, die zur Meerwasserentsalzung genutzt wird.

Von den weltweit zur Verfügung stehenden ca. 30 · 1012 W könnten etwa 2,6 · 1012 W genutzt werden. Als Wirkungsgrad werden bei Osmosekraftwerken 25 % bis 30 % angegeben. Und im Prinzip stehen drei Methoden zur Verfügung, die aber alle auf halbdurchlässigen Membranen aufbauen:

Die Nutzung des osmotischen Drucks zwischen dem unterschiedlichen Oberflächenwasser- und Tiefenwassersalzgehalt im Meer selbst, wobei die ‚stärkere’ Salzlösung aufsteigt. Der anschließende freie Fall soll im Osmosekraftwerk der Stromerzeugung dienen.

Eine weitere Form ist die Nutzung des osmotischen Drucks an den Meeresmündungen der Flüsse. Das Süßwasser trifft hier mit einer osmotischen Druckdifferenz von etwa 24 Atmosphären auf das Meerwasser, was ausreichen soll, um eine 238 m hohe Salzwassersäule aufzubauen. Extremfälle wie der Salt Lake in den USA mit einer osmotischen Druckdifferenz von 380 Atmosphären oder das Tote Meer zwischen Palästina und Jordanien mit sogar 500 Atmosphären (gegenüber dem Süßwasser des Jordans) würden sich natürlich besonders gut ausnutzen lassen. Mit diesen Druckdifferenzen ließen sich entsprechend hohe Salzwassersäulen aufbauen – wo auch hier anschließend wieder der Freie Fall ausnutzt wird. Beim Toten Meer beträgt der theoretische Höhenunterschied etwa 5.000 m (!). Ein Pluspunkt dieser Methode ist, daß viele große Städte direkt an Flußmündungen liegen – womit eine verlustreiche Übertragung der Energie unnötig wird. Für die Columbia-Flußmündung haben kalifornische Wissenschaftler errechnet, daß falls von der Strömungsmenge des Flusses (6.600 m3/s) nur 50 % mit einem Wirkungsgrad von 30 % ausgenutzt werden könnten, sich daraus eine Nutzleistung von etwa 4.600 MW ergeben würde.

Alternativ kann auch Meerwasser in ölentleerte unterseeische Salzstöcke gepumpt werden, um damit das Salz herauszulösen. Die resultierende hochprozentige Salzlösung wird dann an die Meeresoberfläche gepumpt, wo die osmotische Druckdifferenz zum normalen Seewasser genutzt wird. Durch die Ölexploration ist die Lage vieler unterseeischer Salzstöcke bekannt, doch das schon im voraus gewisse Auftreten von Ölrückständen in der Salzlösung macht ein energieaufwendiges Zurückpumpen der Salzlösung in die Salzhöhle erforderlich.

Eine ‚membranlose’ Methode steht allerdings auch zur Verfügung, bei welcher der unterschiedliche Dampfdruck von Süß- und Salzwasser genutzt wird. Bei gleicher Temperatur verdampft mehr Wasser aus einem Behälter mit Süßwasser als aus einem mit Salzwasser. Durch den geringeren Dampfdruck über dem Salzwasser bewegt sich der Wasserdampf vom Süß- zum Salzwasserbehälter. Wird eine Turbine zwischengeschaltet, kann damit Energie erzeugt werden. Die Oberfläche des Wassers wirkt hier quasi als Membran. Allerdings werden nur geringe Druckunterschiede erreicht, so daß sehr große Turbinen benötigt werden. Die außerdem notwendigen Wärmetauscher sind aber immer noch billiger als die Membranen.

Die technische Realisierung dieser Osmose- oder Salzkraftwerke hängt daher von den speziellen Membranen ab, welche die Salze effizient und möglichst vollständig zurückhalten, für Wasser aber gleichzeitig gut durchlässig sind. Wegen des Mangels an geeigneten Membranen kann das Prinzip in den 1970er Jahren nicht realisiert werden, als sich bereits der israelische Wissenschaftler Sidney Loeb damit beschäftigte. Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es jedoch neue Ansätze, um aus Polymeren geeignete Membranen zu entwickeln.

2001 startet der sich in Regierungsbesitz befindliche norwegische Energiekonzern Statkraft, Oslo, gemeinsam mit Wissenschaftlern des GKSS-Forschungszentrums in Geesthacht bei Hamburg, des portugiesischen Instituto de Ciencia e Tecnologia de Polimeros, des norwegischen Institute of Technology (SINTEF) sowie der Technischen Universität Helsinki ein von der EU gefördertes Projekt zur Entwicklung eines Osmose-Kraftwerks. Man untersucht mehr als 50 verschiedene Membranentypen, bis zwei davon übrig bleiben, die sich bereits seit Jahren in Osmoseanlagen zur Meerwasserentsalzung bewährt haben: Cellulose-Acetat, das auch zu Kunstseide verarbeitet wird, sowie die sogenannten Dünnfilm-Composite (TFC), die aus einem hauchdünnen Polyamidfilm und einem Trägermaterial zur Stabilisierung bestehen. (Polyamide sind unter Handelsnamen wie Nylon oder Perlon bekannt).

2004 übernehmen der norwegische Staat und Statkraft die weitere Finanzierung der bestehenden zwei ‘Salinity Power’ Pilotanlagen.

Die kritische Größe bei der Umsetzung dieser Technologie ist die Leistung, die mit einem Quadratmeter Membranfläche erzeugt werden kann. Während die Kunststoff-Membranen aus Geesthacht am Anfang lediglich eine Leistung unterhalb 0,1 Watt pro Quadratmeter liefern konnte, erreichten die Wissenschaftler drei Jahre später schon knapp 2 W/m2. Die Zielvorgabe lautet allerdings, die Leistung auf 5 W/m2 zu steigern, denn erst dann arbeitet die Membran wirtschaftlich.

Grafik eines Osmose-Kraftwerks Osmosekraftwerk

Osmose-Kraftwerk, Osmosekraftwerk

Ende 2005 arbeiten zwei Gruppen an entsprechenden Projekten. Das holländische Team beschäftigt sich mit der sogenannten reversen Elektrodialyse, während die Norweger mit einer angepaßten Form der Osmose und entsprechend hohen Druck arbeiten. In beiden Fällen werden jedoch dünne Membranen eingesetzt. Bei dem dänischen Konzept liegt diesem Membranen eine elektrische Strom an, wodurch das System wie ein Art Wasser-Batterie arbeitet.

Die Europäische Kommission und Statkraft, das in Norwegen derzeit 133 Wasserkraftwerke betreibt, zu denen nochmals 19 in Schweden und vier in Finnland dazukommen, beziffern das Potential in Europa mit 200 Terawattstunden pro Jahr, was etwa im doppelten Verbrauch an Elektrizität eines Landes wie Norwegen entspricht. Allein der Rhein könnte an seiner Meeresmündung in den Niederlanden 3 GW Energie erzeugen.

An den zahlreich vorhandenen norwegischen Flussmündungen könnten insgesamt bis zu zwölf Milliarden kW/h pro Jahr erzeugt werden – was etwa 10 % des jährlichen Bedarfs. Für den gesamten europäischen Raum kommt man auf eine mögliche Energieproduktion von 200 Milliarden kW/h im Jahr.

Die größte Herausforderung ist noch immer, Membranen zu finden die effizient und robust genug und gleichzeitig kostengünstig sind. Die Wissenschaftler rechnen mit mindestens fünf Jahren Forschungsaufwand für die Entwicklung von Membranen, die auch kommerziell eingesetzt werden können.

Im März 2007 wird durch das holländische Energy Research Centre KEMA, die sich bereits seit 2002 damit beschäftigt, zusammen mit der ebenfalls holländischen Firma VolkerWessels (VWS) ein 250 kW Prototyp gebaut. Bei dem Projekt mit dem Namen Blue Energy geht man von der Zielvorstellung aus, in Zukunft eine 200 MW Anlage aus einzelnen 250 kW Modulen zusammenzustellen, von denen jedes die Größe eines Seecontainers hat. Man errechnet, daß ein Einsatz dieser Technologie an allen Flußmündungen des Landes eine Gesamtleistung von 3.300 MW erbringen würde.

Im Oktober 2007 verbreitet sich dann eine Meldung rasant durch wirklich alle Medien: Der norwegische Statkraft-Konzern wird an einer Flußmündung im südlichen Ausläufer des Oslofjordes den Prototypen eines Osmose-Kraftwerk mit einer Leistung von 2 – 4 kW errichten. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das Unternehmen zehn Jahre Forschung und Entwicklung in die Technologie investiert. Die Kosten für das nun anstehender Projekt werden mit rund 13 Mio. € veranschlagt. Baubeginn ist Sommer 2008, fertig werden soll die Anlage 2009.

In der Presse wird diese bescheidene Anlage als die ‚weltweit erste’ dargestellt. Und entweder hat Statkraft eine überaus effiziente Presseabteilung, oder die bemerkenswert breite Veröffentlichung dieser Nachricht ist ein Indiz für das große Bedürfnis nach neuen Vorschlägen und Lösungen der Energiefrage.

Für die Zukunft wird sogar von einer kommerziellen Anlage mit einer Leistung von 25 MW gesprochen, die möglicherweise ab 2015 gebaut werden könne.

Insgesamt gesehen ist die Nutzung der Meeressalinität noch immer mit äußerst hohen Anlagenkosten verknüpft, die notwendigen semipermeablen Membranen sind sehr teuer und die Technik insgesamt noch wenig entwickelt.

Einsprüche seitens Umweltschützern bezüglich dieser Projekte sind noch nicht vorgebracht worden – anzunehmen, es gäbe deshalb keine Auswirkungen wäre jedoch äußerst kurzsichtig.

Hydrosphärengenerator,   Hydrospherengenerator

Die Sea Solar Power International in Baltimore, Maryland, ein Unternehmen der Abell Foundation, analysiert Anfang 2006 das US-Patent von Richard M. Dickson aus Portland, Oregon, dessen Vorschlag auf der Nutzung des Druckunterschieds zwischen Oberflächenwasser und Wasser in großen Tiefen beruht, was Leistungen bis zu 500 MW möglich machen soll. Sowohl die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) in Kiel, als auch die Florida Hydro Inc. in Palatka, Florida, hätten das System bereits bewertet, doch Details darüber sind nicht veröffentlicht. Auch als Meereswärmekraftwerken oder OTEC System bezeichnet.

Laut Sterling D. Allan von peswiki.com (November 2006) handelt es sich jedoch um ein System, das keine eindeutige Input-Energie aufweist. Er rechnet daher nicht damit, das es funktionieren könnte. Die Animation auf der Seite von Dickson zeigt eine unterseeische Konstruktion, in der sich zyklisch eine Art Kolben bewegt, wobei sich – allerdings langsamer – auch die Meeresoberfläche zyklisch hebt und senkt. Handelt es sich vielleicht um eine Generator für Wellenenergie oder Gezeitenhub?

Ganz sicher funktioniert dagegen Wasserdampf – einer der Motoren der Industriellen Revolution. Als ein Aggregatzustand des Wassers ist er auch wichtig genug um hier etwas näher betrachtet zu werden.